Wirtschaftliche Chancen und Stärken des Kantons
Regierungspräsident Hans Peter Ruprecht.
Bild: Reto Martin, TG-Tagblatt
Hans Peter Ruprecht, Regierungspräsident
Im Rahmen seiner Richtlinien hat sich der Regierungsrat die grundsätzlichen Leitplanken für die weitere Entwicklung unseres Kantons in der Legislaturperiode 2004 bis 2008 gesetzt. Sämtliche Bereiche der Politik und Verwaltung sind hier einbezogen.
Wettbewerbstauglicher Kanton
Selbstverständlich spielen dabei die Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Kantons eine grosse Rolle. Der Thurgau muss ein attraktiver Standort für die Unternehmen sein und bleiben, um im Wettbewerb auch in Zukunft bestehen zu können. Ziel ist in erster Linie die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen und damit die Generierung von Wohlstand und Einkommen für die Bevölkerung – ein zentraler Faktor eines Staatswesens. Der Kanton braucht eine gutfunktionierende Wirtschaft für die Bereitstellung der öffentlichen Ressourcen und zur Durchführung der öffentlichen Aufgaben. Davon wiederum profitiert auch die Wirtschaft.
Allerdings kann ein Kanton zwar seine Standortqualität in den von der Verfassung zugewiesenen Bereichen steuern. Die Wirtschaft und die Konjunktur kann der Staat jedoch nur wenig bis gar nicht beeinflussen. Er kann aber die Rahmenbedingungen liefern.
Doch wo liegen nun die Chancen unseres Kantons für eine gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung? Hier sehe ich insbesondere folgende Bereiche im Vordergrund: die Wirtschaftsstruktur, die Fiskalpolitik, die Verkehrserschliessung, den freien Personenverkehr, die Innovation und die Lebens- und Freizeitqualität im Thurgau. Der Thurgau präsentiert sich strukturell als typischer Standort für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). 88 Prozent der Unternehmen haben weniger als 10 Beschäftigte.
Unternehmen mit Ausstrahlung
Dennoch gibt es eine Reihe von grösseren, insbesondere exportorientierten Firmen, welche die Thurgauer Innovationskraft und Qualität in die ganze Welt hinaus tragen. Auch heute ist der Thurgau immer noch überdurchschnittlich industrialisiert. Über 35% der Beschäftigten sind im zweiten Sektor tätig. Demgegenüber ist der erste Sektor stetig am Abnehmen und macht heute circa 9% aller Beschäftigten aus. Im Thurgau entstehen zu den etwa 15 000 vorhandenen Arbeitsstätten jährlich im Schnitt über 300 neue Unternehmen. Zwischen 2001 und 2005 hat der Thurgau mit 2,7% (CH: 0,7%) ein überdurchschnittliches Beschäftigungswachstum erzielt. Dieses Wachstum ist auf die positive Entwicklung der Dienstleistungen zurückzuführen. Mit seinen knappen Raumressourcen wäre der Thurgau ein idealer Standort für wenig flächenintensive Dienstleistungsbranchen. Aber auch die Bauwirtschaft und das Gesundheitswesen sind im Thurgau bedeutende Branchen.
Unabhängiger durch Diversifikation
Die hohe Diversifikation des Thurgaus hat ihn in schwierigeren Zeiten stets etwas unabhängiger von den allgemeinen Entwicklungen im konjunkturellen Auf und Ab gemacht. Wir haben keine «Klumpenrisiken», von denen die ganze wirtschaftliche Kraft abhängig ist. Umgekehrt haben wir aber auch keine «Klumpenchancen» und sind für die allgemein um sich greifenden Clusterstrategien der Entwicklungstheoretiker eher wenig geeignet. Der Thurgau ist eine gute Mischung. Und diese Chance eines gesunden Branchenmixes soll auch weiterhin erhalten bleiben.
Die Fiskalpolitik ist im Thurgau ein weiteres wichtiges Thema. Der Thurgau soll auch in Zukunft unter den Besten in Bezug auf die Steuerbelastung von Privatpersonen und Unternehmen sein. Dieses Ziel ist, was die Unternehmensbesteuerung angeht, zwischenzeitlich gelungen. Doch ist der Wettbewerb der Standorte nicht zu unterschätzen. Es sind auch weiterhin Verbesserungen im steuerlichen Bereich notwendig. Ergänzend zu den Verbesserungen der Steuerbelastung von Familien und Unternehmen muss im Gegenzug auch dem Staatshaushalt ein grosses Augenmerk geschenkt werden. Leider sind immer mehr Ausgaben des Kantons an zumeist bundesrechtliche Vorgaben und Gesetze gebunden. Dennoch besitzt der Thurgau eine der effizientesten und kostengünstigsten Verwaltungen. Auch der Neue Finanzausgleich wird für den Thurgau eine weitere, spürbare Entlastung bringen.
Wirtschaft braucht gute Verkehrswege
Die Wirtschaft braucht gute Verkehrswege, auf denen Güter und Personen befördert werden können. Gefragt ist eine zweckdienliche Mischung aus öffentlichem und privatem Verkehr. Nicht zuletzt zum Erhalt der intakten Natur und Landschaft im Thurgau setzen deshalb der Regierungsrat und das Parlament auf eine nachhaltige Entwicklung des öffentlichen Verkehrs – ohne den Erhalt und wo nötig die Erweiterung der Infrastruktur des Strassennetzes zu vernachlässigen. Seit 1996 ist das Angebot an Fahrplankilometern im öffentlichen Verkehr des Kantons Thurgau um 62% gestiegen. Die Thurgauer Transportunternehmen hatten im Jahr 2006 über 26 Millionen Fahrgäste. Die Anbindung des Thurgaus an die Zentren der Grossregion (Zürich, St. Gallen) und ins benachbarte Ausland stellt eine wichtige Basis für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Kantons dar.
Doch auch das ausgezeichnete Strassennetz für den privaten Verkehr kann sich sehen lassen. Leistungsfähige National- und Kantonsstrassen und ein weitverzweigtes Netz von Erschliessungsstrassen der ländlichen Regionen sind ebenfalls ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Leider ist es noch nicht gelungen, den Oberthurgau noch direkter an das Wirtschaftszentrum Zürich bzw. an die Region Kreuzlingen, Konstanz anzubinden – eine Aufgabe, die weiter in Diskussion bleiben wird. Die Chance des Thurgaus liegt auch in der Nähe zur Grenze der EU und in seiner Fähigkeit, diese unkompliziert zu überwinden. Der Zuwachs an Unternehmen im Thurgau ist nicht zuletzt auch durch den Zuzug ausländischer Unternehmen gelungen. Der Kanton ist seit vielen Jahrhunderten immer wieder ein guter Boden für junge ausländische Firmen gewesen.
Die Kraft der Natur
Eine der grössten Stärken schöpft unser Kanton aus der Landschaft und der Natur. In der einmaligen Kultur- und Naturlandschaft zwischen Bodensee und den Hügeln der Voralpen eingebettet, bietet der Thurgau ein Lebens-, Wohn- und Freizeitraum erster Güte. Das wird die grösste Chance, aber auch die grösste Herausforderung der nächsten Jahrzehnte sein, diesen Raum einerseits wirtschaftlich zu stärken und andererseits den Thurgau als das zu erhalten, was er ist. Wie heisst es doch so schön in der Marketingkampagne des Kantons? «Das Paradies liegt im Thurgau – wo denn sonst!»
31. Juli 2007
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