02.01.10 - Zu tun ist genug. Konstanz geht ins Jahr 2010 und hat eine große Agenda - ganz jenseits der Schröderschen Eingriffe in die Sozialsysteme, wie heute der Südkurier Kontanz berichtet.
Agenda: Das heißt wörtlich „das zu Tuende“. Und darin steckt mehr als eine bürokratische Tagesordnung, mehr als ein Themenpaket für die Kommunalpolitik, mehr auch als das Aufstellen von Forderungen. Agenda: Das heißt, handeln zu müssen. Konstanz sollte - nein: es muss - sich im eben begonnen Jahr als handlungsfähiges Gemeinwesen beweisen. In einem unsicheren Umfeld heißen die drei wichtigsten Handlungsfelder für das Jahr 2010 Bildung, Wirtschaft und demographischer Wandel. Und wenn Konstanz in diesen Bereichen tatsächlich weiterkommt, muss auch niemandem bange sein um die Zukunft. Zumal die Kraft für die Erneuerung durchaus da ist.
Engagement für den Bereich Bildung zu fordern, kommt inzwischen einem Gemeinplatz gleich - doch die ständige Wiederholung, wie wichtig diese Zukunftsaufgabe ist, nimmt ihr nichts von ihrer Bedeutung. Gerade Konstanz, das sich im vergangenen Jahr entschlossen auf den Weg in die Wissensgesellschaft gemacht hat, sollte diese Verpflichtung ernst nehmen. Die Ansätze lassen hoffen: So viel Verzahnung zwischen Kindergarten und Schule, zwischen Schule und Hochschule, zwischen Hochschule und Wirtschaft, zwischen Wirtschaft und Wissenschaft war nie. Die Bindungskräfte eines Gemeinwesens, ablesbar auch in der Bereitschaft zum offenen Austausch über neue Erkenntnisse und neue Methoden, sind gerade in einer Stadt ohne industriellen Kern wichtig.
Dazu gehört auch, dass Bildung ungerechte soziale Schranken durchbrechen hilft - dazu gehört auch die Erkenntnis, dass es nicht nur wichtig ist, ob es nun 15 oder 16 fünfte Klassen an den Gymnasien gibt, sondern dass auch die Hauptschulen zählen, dass in Alphabetisierungsprogrammen Gutes geleistet wird und dass Migranten besser in die Angebote eingebunden werden müssen.
Für das gewaltige Zukunftsprojekt Bildung braucht es freilich die nötigen finanziellen Mittel. Nur wenn Konstanz seine Wirtschaftskraft erhalten oder womöglich steigern kann, sind die Voraussetzungen für dieses wichtige Stück Zukunft gegeben. Die Nachrichten rund um den Automobilzulieferer Koki oder die Rieter-Werke oder die Unsicherheiten bei Nycomed zeigen, dass die wirtschaftliche Basis in Konstanz dünn ist. Umso mehr wird es darauf ankommen, Neugründungen zu unterstützen und Neuansiedlungen einzuwerben - keine einfache Aufgabe für die Stadtverwaltung, die in den vergangenen Jahren oft genug machtlos mit ansehen musste, wie globale Entwicklungen auf Konstanz durchgeschlagen haben. Zugleich gibt es aber keinen Anlass zur Mutlosigkeit: Den bisherigen Strukturwandel hat Konstanz gut geschafft. Das sollte auch dem Konzert- und Kongresshaus Rückenwind geben: Es ist eine Investition, die zusätzliche Kaufkraft in die Stadt spülen wird. Und glaube niemand, dass Konstanz ohne das Geld von außen weitermachen kann wie bisher: Ohne die vielen auswärtigen Kunden und ohne die Touristen wäre die wirtschaftliche Lage der Stadt weitaus schlechter.
Die dritte große Herausforderung heißt demographischer Wandel. Wenn sich Konstanz nicht gegen die Entwicklung stemmt, wird es eher früher als später zum gemächlichen Rentnerparadies, das konzeptlos in eine Zeit steuert, in der die Alten zunehmend von Armut betroffen sind. Verwaltung und Politik müssen alles dafür tun, junge Familien nach Konstanz zu locken oder deren fatale und im Umfang erschreckende Abwanderung in die Nachbarschaft zu verhindern. Dazu gehören Angebote in der Kleinkindbetreuung, Ganztagsschulen, zentrumsnahe Wohnmöglichkeiten und Arbeitsplätze, an denen Familie und Beruf vereinbart werden können. Während bei Kinderbetreuung und Schulen die Politik die Zeichen der Zeit erkannt haben und das bisher Geleistete konsequent fortgeführt werden sollte, hakt es in der Siedlungspolitik noch gewaltig. Noch immer hat man den Eindruck, dass diejenigen den Ton angeben in Konstanz, die versorgt sind – die, die sich die auf anspruchsvoll getrimmten Mietwohnungen nicht leisten können oder denen die Bauplätze nach ewigen Debatten um die Nachverdichtung und selbstverliebtem Ringen um großzügige Siedlungsstrukturen zu teuer geworden sind, haben keine Lobby. Das ist fatal, sind diese Menschen doch das Gesicht des zukünftigen Konstanz.
Konstanz hat die Kraft, sich der drei großen Zukunftsthemen anzunehmen. Zwar sind die fetten Jahre vorbei, aber im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen in Deutschland steht die größte Stadt am Bodensee noch gut da. Für Pessimismus gibt es keinen Anlass. Doch in einer Stadt, in der Motzer leider oft mehr Beifall finden als Macher, sollte sich zumindest eine Grunderkenntnis langsam Bahn brechen: Zu tun ist genug.
2. Januar 2010
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