17. Februar 2010

Unbequem, aber gut

17.02.10 - Alle Welt rennt zu Entschlackungs-Kuren, setzt auf Heilfasten, und Schlagworte wie bewusster Konsum oder gar das unvermeidliche „Weniger ist mehr“ haben Hochkonjunktur. Und da soll die Fastenzeit nicht mehr zeitgemäß sein? Nein, ganz im Gegenteil: Der Verzicht auf Liebgewonnenes, das doch banal selbstverständlich wurde, hat auch in der heutigen Gesellschaft seinen Platz.

Die Fastenzeit ist dafür ein guter Anlass. Der Zeitraum von 40 Tagen ist überschaubar, aber doch so lange, dass es ohne echten Verzicht nicht geht. 40 Tage reichen, um fragwürdige Gewohnheiten mit einer gewissen Nachhaltigkeit abzustellen. 40 Tage sind aber auch eine Zeit, deren Ende absehbar ist und die Raum für Vorfreude lässt. Es hat schon seinen Grund, dass die Bibel, das große Menschenkenner-Buch, genau diese sechseinhalb Wochen nennt.

Wer fastet, lernt Nein zu sagen. Nein meist zu sich selbst. Aber es kann auch ein Nein gegenüber anderen sein, die uns ihre Vorstellungen, Ziele, Methoden aufdrängen wollen. So wird das Nein zum Alkohol auch zur Ablehnung gegen den unbedachten Alkoholkonsum, der Verzicht aufs Handy zur Stellungnahme gegen die Kommunikationslawine, das Vermeiden von unnötigen Autofahrten eine Positionierung innerhalb der supermobilen Gesellschaft.

Freilich: Askese geht nur mit Augenmaß. Wer sich zu hohe Ziele steckt, wird scheitern – die christliche Lehre weiß darum und hat die Sonntage bewusst von der Fastenzeit ausgenommen. Dass das Fasten manch Bigotterie hervorgebracht hat – etwa die Teigmantel-Hülle um die Fleischfüllung der Maultaschen – spricht dabei nicht gegen das Konzept an sich, sagen diese Praktiken doch mehr über die Anwender als die Regeln, denen sie sich zu unterwerfen versuchen.

40 Tage ohne: Darin liegt eine große Chance – mehr denn je. Immerhin gab es noch nie so viel, auf das man verzichten könnte. Fasten ist der Gegenentwurf zum Konsum. Vielleicht fällt es uns deshalb so schwer: Es zeigt uns, wie gefangen wir in unseren Wünschen sind.

Jörg-Peter Rau leitet die Konstanzer Lokalredaktion des SÜDKURIER.