13. Juli 2010

Jede Zeit hat ihren Teufel

Düster und doch heiter wird’s vom 22. Juli bis 22. August im Seeburgpark Kreuzlingen, wenn das See-Burgtheater im Maisfeld neben der Seeburg zu seiner Adaptation von Jeremias Gotthelfs „Die schwarze Spinne“ lädt. Leopold Huber, Intendant und Regisseur des professionellen Ensembles, erzählt die Novelle aus dem Jahr 1842 als „dunkles Musical“ und verweist mit Esprit auf ihre noch heute funktionierende Parabelhaftigkeit.

Die Handlung ist bekannt: Hans von Stoffeln, ein Teutscher Adeliger aus dem Schwabenland unterdrückt die Bauern auf seinem Schweizer Gut. Nachdem sie ihm sein Schloss fertig gestellt haben, sollen sie ihm nun binnen eines Monats einen Schattengang aus hundert ausgewachsenen Buchen pflanzen. Der Not zeigt einzig Christine die Stirn, eine in der Dorfgemeinschaft argwöhnisch beäugte Fremde aus Lindau. Sie lässt sich zum Wohl der Allgemeinheit mit dem Teufel ein, verspricht ihm ein ungetauftes Kind, ohne ihr Versprechen halten zu wollen. Die Rahmenhandlung der Erzählung versetzt Leopold Huber in seiner Bühnenversion in die Gegenwart, die Sage um die Spinne belässt er in der Historie – und lockt aus beidem mit gewohnt spitzen Bezügen die Aktualität heraus. Denn „jede Zeit hat ihren Teufel – nur immer in anderer Gestalt“, so Leopold Huber. Es geht ihm darum, die „dunklen Seiten“ aufzuwühlen – auch beim Zuschauer. Und so erklärt er das Theater zur „gesellschaftlichen Kläranlage“.

Für den musikalischen Part zeichnet Goran Kovacevic verantwortlich, der mit seinem Dusa Orchestra das teuflische Geschehen begleitet. Bekannt für seine kunstvolle Genre-Verschmelzung europäischer Musikstile hat er für „Die schwarze Spinne“ Schweizer Volksmusikstücke für Akkordeon, Kontrabass, Saxophon und Schlagzeug arrangiert, sie ins Jazzige und Balkanesische gedreht. So dringt nicht nur in die ländliche Idylle sondern auch in die Musik das Fremde atmosphärisch ein. Da fährt der Teufel schon mal in die Band, wenn er ihr aufs Dach steigt, von dort aus seine Fäden zieht und die Spinne tanzen lässt.

Mit einer gehörigen Portion Schalk schlüpft Astrid Keller, Mitbegründerin und Co-Leiterin des See-Burgtheaters, in die Rolle des Teufels. Die Christine, die sich zeitweilig in die Titel gebende Spinne verwandelt, spielt Ingrid Lang, Schauspielerin und Sängerin aus Wien, mit fast schon akrobatischen Einlagen. Weiter dabei sind überwiegend bewährte See-Burgtheater-Schauspieler: Erich Hufschmid – bekannt als Graf Zeppelin oder Rechtsanwalt Dr. Siedler im „Weissen Rössl“ – mimt den Pfarrer mit Erzählerfunktion. Werner Biermeier – im letzten Jahr noch der Berliner Fabrikant Giesecke – verkörpert den Gemeindeammann. Lotti Happle, ehemals Hure in der See-Burgtheaterproduktion „La Strada“, wird mit glockenreiner Stimme zur Kindsmutter Vreni. Ihren liebenswürdig unbeholfenen Angetrauten Hans übernimmt Florian Steiner, freischaffender Schauspieler aus dem Kanton Aargau. Christine Heiss gibt die allzeit warnende Gotte, Oliver Kühn den emotional zerrissenen Hornbacher und Christian Intorp den kaltherzigen Hans von Stoffeln.

Im Stile griechischer Tragödien tritt ein zwanzig Stimmen starker Chor als Dorfgemeinschaft auf und besingt die Freude und das Grauen der Protagonisten. „Nur lustiger. Denn das Tragische kommt ja erst dann richtig zum Tragen, wenn es auch sein Gegenteil gibt“, erklärt Leopold Huber seinen Ansatz.

Gespielt wird an passendem Ort: Mitten in einer mit Holzmulch ausgesparten, überdimensionalen Spinnensilhouette im Maisfeld neben der Seeburg. Über die Spinnenbeine gelangen die Zuschauer in den Bauch der Spinne und damit ins Zentrum des Geschehens. Die Tribüne mit Blick auf die Seeburg – des Stoffeln Schloss – ist überdacht. Denn gespielt wird bei jedem Wetter.